Warum wir das Klimaschutzkonzept abgelehnt haben

julia edelburg

Im Folgenden dokumentieren wir die Rede, die Julia Edelburg (Vorsitzende des Umweltausschusses) im Rahmen der Ratssitzung am 23.09.2021 gehalten hat.

„Sehr geehrter Bürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren,

die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen dankt der Verwaltung, insbesondere der Klimaschutzbeauftragten Frau Federer, für die Erstellung dieses umfangreichen Papiers, die damit verbundene Arbeit der letzten 1 1/2 Jahre, und Ihre gute Begleitung während des Prozesses. Wir begrüßen es sehr, dass sich die Stadt Korschenbroich mit dem Thema Klimaschutz befasst und sich ein entsprechendes Konzept zur notwendigen Erreichung von Klimaneutralität geben möchte. Insbesondere begrüßen wir die zusätzliche Aufnahme des immer wichtiger werdenden Themas der Klimafolgenanpassung.

Das heute zur Abstimmung stehende integrierte Klimaschutzkonzept entspricht allerdings nicht dem, was als ausreichend erachtet werden muss, um den unumkehrbaren Kipppunkt im Klimasystem nicht zu überschreiten. Unser Beitrag in Korschenbroich, die Erderwärmung auf das in Paris gesetzte Ziel von 1,5 oder selbst 2 Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen, muss ambitionierter ausfallen.
Wir GRÜNE haben im Laufe des Prozesses mehrfach versucht, die Ziele und Maßnahmen entsprechend abzuändern und zu verschärfen.

Bereits das gesetzte Klimaziel, die Klimaneutralität bis spätestens 2045 anzustreben, lässt das Fazit der allermeisten wissenschaftlichen Untersuchungen außer Acht: Klimaneutralität erst in 2045 ist schlicht zu spät. 

Lassen sie mich in diesem Zusammenhang den Präsidenten des Deutschen Wetterdienstes zitieren, der zur Eröffnung des derzeit stattfindenden Extremwetterkongresses in Hamburg folgendes sagte: „„Leider drehen sich alle wichtigen Stellschrauben unverändert in die falsche Richtung. Die Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre nimmt immer noch zu.“ Weiter führte Prof. Dr. Gerhard Adrian aus, dass es deshalb „noch viel mehr Rückenwind“ für Klimaschutzmaßnahmen bedürfe. Zudem müssten seiner Meinung nach Expert*innen in diesem Zusammenhang auch „noch aktiver auf die Öffentlichkeit zugehen“.

Weiterhin ist wichtig: Das Bundesverfassungsgericht hat explizit festgestellt, dass ein wesentlich stärkerer Klimaschutz notwendig ist, um die Freiheitsrechte junger Menschen in der Zukunft zu erhalten und für nachfolgende Generationen zu sichern. Bedeutend ist dabei die Feststellung des Gerichts, dass die Verschiebung von Problemen auf die Zukunft gerade künftige Generationen in ihren Grundrechten übermäßig belasten kann. Was auf Bundesebene gilt, gilt entsprechend auch auf kommunaler Ebene und somit auch hier für uns in Korschenbroich.

Um es ganz deutlich zu sagen: Mit dem Klimaziel 2045 bekennt sich die Stadt Korschenbroich NICHT ausreichend zu ihrer Verantwortung für Maßnahmen des Klimaschutzes. Der Erhalt der Freiheitsrechte junger Menschen wird gefährdet.

Unsere Kritik im Detail:
Dieses Klimaschutzkonzept ist unserer Meinung nach lediglich eine Ansammlung von Einzelmaßnahmen, die bisher mit der Maßgabe priorisiert wurden, dass es wenig kosten darf mit möglichst geringem Personaleinsatz. Eine Priorisierung nach Effektivität fehlt größtente
ils.

Es ist aus unserer Sicht jedoch grob fahrlässig, jetzt im Hinblick auf anfallende Kosten den Klimaschutz halbherzig anzugehen. Auf lange Sicht gesehen werden die Klimafolgeschäden sich exponentiell erhöhen und damit auch die Folgekosten.

Die Flutkatastrophe in nächster Nachbarschaft hat uns daran in aller Deutlichkeit erinnert. Es ist nicht richtig, nachfolgenden Generationen – unseren Kindern, Enkel*innen und Urenkel*innen – nicht nur eine immer kaputtere Erde zu überlassen, sondern auch einen Schuldenberg, der durch immer höhere Klimaschädenfolgekosten stetig wächst.

Weiterhin kritisieren wir das Vorgehen bei der Erstellung dieses Konzepts. Die einzelnen Maßnahmen sind nicht zur Beratung in die Fachausschüsse transportiert worden. Dort sollen sie jedoch umgesetzt werden. Für eine bessere Kooperation und zielgerichtete Erarbeitung wäre eine vorherige Besprechung und Verzahnung notwendig gewesen.

Ein weiterer, grundsätzlicher Kritikpunkt:
Ein Klimabeirat, der zukünftig die Umsetzung dieses Konzepts kontrollieren soll, aber nicht öffentlich tagt und lediglich aus Vertreter*innen der einzelnen Parteien des Stadtrates besteht, kann keine Grundlage für transparenten Klimaschutz erarbeiten. Ein Klimabeirat muss sachkundig sein. Fachkräfte aus wichtigen Bereichen, wie z.B. Verkehr, Handwerk, Architektur, aber auch Jugendliche und generell Vertreter*innen aus der Bürgerschaft fehlen gänzlich. Nur mit den angesprochenen Gruppen zusammen könnten klare Ziele und Maßnahmen diskutiert und erarbeitet und sodann auf den Weg gebracht werden.
Gerade die Kolleg*innen von CDU und SPD betonen häufig, wie wichtig es sei, die Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen und nicht zu überfordern. Richtig, das ist der entscheidende Faktor zur Erreichung der Klimaneutralität. Partizipation erreichen wir jedoch nicht dadurch, dass wir die Bürgerinnen und Bürger außen vor lassen und ihnen lediglich Beratungsangebote unterbreiten. Wir müssen die Gesellschaft aktiv mitgestalten lassen und dafür ein regelmäßiges Forum bieten. Genau das wollen Sie aber nicht – das hat d
ie Diskussion vorgestern noch einmal gezeigt.

Wir Grüne im Rat der Stadt Korschenbroich wollten daher ein Klimaschutzkonzept, das die Klimaziele in definierten Schritten verbindlich vorgibt und das Ziel der Treibhausgasneutralität deutlich vor 2045, nämlich bis 2035 festschreibt. Damit sind wir auch in bester Gesellschaft im Rhein-Kreis Neuss. Die Stadt Neuss hat zum Beispiel bereits im Herbst 2019 die Klimaneutralität bis 2035 beschlossen.

Ich wiederhole mich: Die nächsten 10 Jahre sind entscheidend dafür, ob wir uns die Chance erhalten, die Pariser Klimaziele einzuhalten und auf den 1,5 Grad Pfad kommen.

Ihre Behauptung ins Blaue hinein im vorletzten Umweltausschuss, sehr geehrter Herr Bürgermeister, die anderen Kommunen würden diese Ziele ja auch nicht erreichen, spiegelt dabei die Mut- und Ambitionslosigkeit dieses Konzeptes wider. Ein zielführendes Klimaschutzkonzept ist jedoch längst kein Nice-to-have mehr. Es sollte die Grundlage bilden für die zukünftige Lebensqualität in unserer Stadt.

Mahatma Gandhi hat einmal gesagt: “Was wir in der Gegenwart tun, bestimmt unsere Zukunft”. Angesichts der großen Herausforderungen, die vor uns liegen, wandle ich es folgendermaßen ab: “Was wir heute NICHT tun, bestimmt unsere Zukunft.”

Wir hatten die Chance, einen mutigeren, vorausschauenden, zukunftsweisenden Weg zu gehen und haben diese nicht genutzt. Daher lehnen wir das heute hier zur Abstimmung stehende Konzept ab.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sieht sich selbstverständlich in der Verantwortung, dennoch an der Umsetzung der gesetzten Zielen und Maßnahmen mitzuarbeiten. Wir werden aber auch weiterhin versuchen, die Bremsen zu lösen und Beschleunigung in den Prozess zu bringen.

Vielen Dank.“