Grüner Haushaltsbegleitbeschluss: Ein „Weiter so“ darf es nicht geben

Auch in Korschenbroich lassen die Folgen von Ukrainekrieg, Energiekrise und vor allem Klimawandel nur einen Schluss zu: Ein „Weiter so wie bisher“ darf es nicht geben. Gerade Politik und Verwaltung auf kommunaler Ebene sind nun in der Pflicht, konkrete Schritte in Richtung Energie-, Mobilitäts- und Klimawende zu gehen. Wir müssen zügig unsere Versorgungssysteme und die Infrastruktur unabhängig machen von fossilen Energieträgern. Die Stadtplanung muss den Klimafolgen angepasst und der ungebremste Flächenverbrauch gestoppt werden. Die Entwicklung einer auch in Zukunft lebenswerten Stadt für alle Menschen, die hier wohnen, muss auch die drängenden sozialen und kulturellen Fragen in den Fokus nehmen.

Dies alles ist offensichtlich und dringlich. Doch beim Blick in den Haushaltsentwurf für das Jahr 2023, den die Verwaltung aufgestellt hat und den die Fraktionen von CDU, SPD und FDP unterstützen, ist schnell klar: Ein Umdenken hat leider immer noch nicht stattgefunden. Kaum eine konkrete Maßnahme hin zu möglichst schneller CO2-Neutralität in Korschenbroich ist für dieses Jahr geplant und budgetiert. Energiesparen und damit Ressourcenschonung spielt so gut wie keine Rolle. Der einzige strategische Ansatz der im Haushalt geplanten Maßnahmen scheint die Erhöhung der Steuereinnahmen durch eine weiter forcierte Ansiedlung von immer mehr Gewerbe zu sein.

Die Ratsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN weigert sich daher, kleinteilige Verbesserungsvorschläge für etwas zu machen, das im Großen und Ganzen ein einziges Versäumnis ist. Zwar haben wir Anträge zur Verkehrssicherheit an der Borrenstraße und dem Stop des Hallenbadausbaus (mit ersatzweisem Bau eines Wasserspielplatzes) gestellt. Das reicht uns aber nicht. Deshalb bringen wir in der kommenden Stadtratssitzung, bei der die Verabschiedung des Haushalts auf der Tagesordnung steht, in Form eines Haushaltsbegleitbeschlusses ein umfangreiches Maßnahmenpaket zur Abstimmung. Dieser Haushaltsbegleitbeschluss kann über das Ratsinformation als PDF heruntergeladen werden. Im Folgenden haben wir ihn auch im Wortlaut dokumentiert:

Haushaltsbegleitbeschluss zum Haushalt der Stadt Korschenbroich 2023

Der Haushalt der Stadt Korschenbroich lässt aus Sicht der Ratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen keine Handlungsschwerpunkte erkennen, die es ermöglichen, den großen Herausforderungen unserer Zeit – Klimakrise, Energiekrise und gesellschaftlicher Wandel – aktiv zu begegnen. Es fehlen konsequente und nachhaltige Maßnahmen, um den Klimaschutz und die Anpassung an Klimafolgen effektiv voranzutreiben sowie den sozialen Zusammenhalt unserer vielfältigen und vielschichtiger werdenden Stadtgesellschaft sicherzustellen und zu fördern.

Diese notwendigen Handlungsschwerpunkte konkretisieren wir daher in diesem Haushaltsbegleitantrag, durch den gezielte Maßnahmen beschlossen werden, die die Stadt Korschenbroich in den Bereichen Klimaschutz, Energiewende sowie im sozialen Bereich nachhaltig zukunftssicher aufstellen.

Handlungsschwerpunkt Umwelt-, Natur- und Artenschutz

1. Entsiegelung

Versiegelte Flächen heizen sich stark auf, weshalb die Temperatur in den Städten höher ist als in der freien Landschaft. Versiegelung führt zum unmittelbaren Verlust des Bodens als Naturgut und Schadstofffilter, als Lebensraum für Tiere und Pflanzen sowie als Erholungs- und Naturerlebnisraum für die Menschen. Niederschlagswasser kann nicht versickern, der Grundwasserspiegel sinkt. Regenwasser muss in die Kanalisation abgeleitet werden. Dort vermischt es sich mit dem Schmutzwasser und treibt so die Kosten für die Abwasserbeseitigung in die Höhe. Bei starken Regenfällen ist die Kanalisation oft überlastet und das Wasser gelangt ungereinigt in Bäche und Flüsse. Durch den schnellen Abfluss aus den Siedlungsgebieten steigt die Hochwassergefahr.

In einem ersten Schritt wird die Verwaltung in den Ortsteilen Korschenbroich, Kleinenbroich und Glehn jeweils fünf Autoparkplätze umwidmen und die Flächen entsiegeln. Dort sollen – je nach Eignung und Erfordernis – neue Grünflächen, Fahrradstellplätze oder neuer sonstiger Sozialraum entstehen. Darüber hinaus wird die Verwaltung prüfen, welche weiteren Flächen im gesamten Stadtgebiet entsiegelt und entsprechend einer neuen Funktion zugeführt werden können. Die Maßnahme aus dem Klimaschutzkonzept „KA-4: Flächenentsiegelung von städtischen Flächen“ ist mithin sofort umzusetzen und nicht erst mittelfristig in den nächsten Jahren.

2. Erosionsschutz Frei- und Ackerflächen

Die Ressource „Boden“ ist nicht erneuerbar. Der Erhalt der Fruchtbarkeit von Ackerflächen ist somit ein wesentlicher Mosaikstein der Nachhaltigkeit und im ureigenen Interesse der Landwirtschaft. Die Wahrscheinlichkeit von auftretenden Trockenphasen, lokalen Starkregen und die Möglichkeit zunehmender mittlerer Windgeschwindigkeiten wird durch den Klimawandel verstärkt und unterstreicht die Notwendigkeit, unsere Böden zukünftig noch stärker vor erosionsbedingten Verlusten und damit einhergehender Degradation zu schützen.

Daher müssen die tatsächlichen Erosionsrisiken auf landwirtschaftlichen Flächen im Stadtgebiet analysiert und geeignete Schutz- und Minderungsmaßnahmen in enger Zusammenarbeit mit den Landwirt*innen und Flächenbewirtschafter*innen getroffen werden.

3. Nachhaltige Wasserwirtschaft

Der Klimawandel verändert auch das Leben in unserer Stadt. Die Sommer werden heißer, Niederschläge bleiben aus. Korschenbroich vertrocknet. Auf der anderen Seite häufen sich Starkregenereignisse, die die vorhandenen Möglichkeiten der Stadt übersteigen, dieses Wasser auch abzuführen. Korschenbroich säuft ab.

Das Prinzip der Schwammstadt mit seiner Vielzahl an Maßnahmen eröffnet Möglichkeiten, Regenwasser zu speichern, anstatt es zu kanalisieren, abzuleiten und nicht mehr nutzbar zu halten. Kombiniert mit Begrünungen und Bepflanzungen von Freiflächen, Dächern und gar ganzen Straßenzügen kann über Verdunstung die durchschnittliche Temperatur signifikant reduziert werden. Gespeichertes, wertvolles Regenwasser kann u.a. zur Bewässerung von Grünflächen genutzt werden, anstatt aufbereitetes Wasser den öffentlichen Netzen zu entnehmen.

Deshalb wird die Stadtverwaltung ein entsprechendes Regenwassermanagement etablieren. Unter Berücksichtigung nachhaltiger Wasserwirtschaft werden entsprechende Pilotprojekte geplant und kurzfristig umgesetzt. In der Folgezeit werden neu erschlossene Flächen für Bauprojekte so geplant, dass Niederschlagsmengen lokal gespeichert und auch genutzt werden können. Das Prinzip der Schwammstadt muss mithin konsequent in den Katalog der Klimafolgenanpassungen aufgenommen werden. Nur die Verbesserung der Klimaresilienz der Stadt Korschenbroich steigert auch die Lebensqualität und die ökologische Vielfalt unserer Heimat.

4. Begrünung, Aufforstung und Baummanagement

Besondere Bedeutung im Zuge der Klimafolgenanpassung kommt der Begrünung von Dächern und Fassaden sowie der Pflanzung von Bäumen im Stadtgebiet und der Aufforstung von Wäldern zu.

Daher wird die Stadtverwaltung beauftragt, früher und schneller die Eignung der öffentlichen Gebäude hinsichtlich Dach- und Fassadenbegrünung zu prüfen und entsprechend Begrünungen vorzunehmen. Begrünte Dächer und Fassaden haben sowohl kühlende als auch wärmedämmende Eigenschaften.

Des weiteren sollen die bestehenden Waldflächen ausgeweitet werden, um die schützenden und klima-verbessernden Funktionen, wie CO2-Speicherung, zu erhalten; zerstörte Wald-/Forstteile werden konsequent neu bepflanzt. Damit zukünftig Mischwälder mit insbesondere hitzeresistenten, auch noch nicht heimischen Baumarten gepflanzt werden können, ist eine Änderung des restriktiven Landschaftsplanes herbeizuführen. Die Stadtverwaltung wird zwecks Sicherstellung der Baumpflege zudem ein Baummanagement einführen.

Darüber hinaus wird die Stadtverwaltung konsequent alle geeigneten Außenflächen stadteigener Liegenschaften artenreich und insektenfreundlich – etwa durch die Anlage von Blühstreifen oder Blühwiesen – umgestalten und bewirtschaften.

5. Artenschutz

Die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Thema Artensterben aus Juli 2022 sind erschreckend. Täglich sterben weltweit 150 Arten aus, so viele wie nie zuvor. Wir sind dabei, die Vielfalt unseres Lebens zu verlieren. Es wird still über Wiesen und Feldern. Wenn nicht zeitnah ein Wandel stattfindet, werden die Folgen für Natur und Mensch verheerend sein.

Die Stadtverwaltung wird daher aufgefordert, stetig an Maßnahmen zur Erhöhung der biologischen Vielfalt zu arbeiten und den Artenschutz voranzutreiben. Einheitsgrün muss weichen und in extensive Flächen und artenreiche Anlagen umgewandelt werden. Schutz von Biodiversität muss in weiteren Stadtentwicklungsprozessen eine hohe Priorität haben. Entscheidend wichtig ist die Beachtung und Anwendung der gesetzlichen Artenschutzbestimmungen.

Durch den Aufbau weiterer und den Schutz der bestehenden Biotopverbünde sollen Lebensräume geschaffen und erhalten bleiben. Das Ziel des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), die dauerhafte Sicherung der hiesigen Populationen wild lebender Tiere und Pflanzen einschließlich ihrer Lebensstätten zu schützen, muss auch für die Stadt Korschenbroich gelten.

6. Ausweisung weiterer Naturschutzgebiete

Die Verwaltung der Stadt Korschenbroich wird die Untere Naturschutzbehörde beim Rhein-Kreis Neuss von der Notwendigkeit überzeugen, mindestens drei weitere Naturschutzgebiete auf Korschenbroicher Stadtgebiet auszuweisen. Im Detail handelt es sich hierbei um die Bereiche Großenbroich (Anschluss an das bestehende NSG Pferdsbroich), Neersbroicher Busch und Hoppbruch. Die letztgenannten Gebiete grenzen an Mönchengladbacher Stadtgebiet und sind dort bereits als NSG ausgewiesen.

Bezugnehmend auf das Konzept der BUND-Ortsgruppe Korschenbroich für einen Biotop- und Habitatverbund ist die Notwendigkeit einer solchen Maßnahme evident. Korschenbroich verfügt über eine vergleichsweise geringe Zahl an geschützten Gebieten (bisher nur Pferdsbroich und Liedberger Haag), zudem herrscht extreme Waldarmut. Auf der anderen Seite steigt der Nutzungsdruck auf verbliebene Freiflächen durch Zuzug und Ausweitung von Infrastruktur und Gewerbeflächen. Es kommt zu verstärktem Artenschwund. Um diesen zu stoppen, ist die Ausweisung weiterer Naturschutzgebiete unumgänglich – übrigens auch aus Gründen des Landschafts- und Gesundheitsschutzes und der Klimafolgenanpassung.

7. Nachhaltiges Tourismuskonzept

Korschenbroich ist als Destination für Tagestourist*innen und Naherholung-Suchende grundsätzlich attraktiv. Dies haben nicht zuletzt die Erfahrungen während der Lockdowns in der Coronapandemie deutlich werden lassen, als Wander- und Radwege gut genutzt und Hotspots wie der Liedberger Ortskern samt dem Naturschutzgebiet Haag oder die Ortslage Raderbroich hoch frequentiert waren. Allerdings wurde in dieser Zeit auch deutlich, dass es an funktionierenden Instrumenten der Verkehrs- und Besucher*innensteuerung genauso mangelt wie an zukunftsorientierter Infrastruktur und gutem Marketing.

Daher wird nun ein integriertes, nachhaltiges Konzept erarbeitet, um daraus entsprechende Handlungsempfehlungen für einen ökonomisch wie ökologisch erfolgreichen Tourismus in Korschenbroich abzuleiten. Folgende Aspekte sollen dabei mindestens Berücksichtigung finden:

  • verkehrliche Fokussierung auf ÖPNV und Fahrrad – sowohl bei der Anreise, als auch für den Binnentransport;
  • Ausbau von und bessere Information über Wander- und Radwege;
  • Etablierung von Besucher*innenleitsystemen von den Bahnhöfen zu Ausflugszielen wie Liedberg, Raderbroich, Herrenhäuser und Burgen, Gastronomie und Naturdenkmälern;
  • Berücksichtigung der Anwohner*inneninteressen;
  • Vorantreiben zielgruppenspezifischer Angebote und interkommunaler Zusammenarbeit;
  • Verbesserung des (Online-)Marketings, ggf. durch Anschluss an die Dachmarke Niederrhein-Tourismus;
  • Erarbeitung von zeitgemäßem Informationsmaterial;
  • Integration von anderen Playern wie lokalen Gastronomie- und Beherbergungsbetrieben, Landwirt*innen und Einzelhandel sowie von Initiativen und Verbänden wie dem BUND und ADFC sowie der Biologischen Station im Rhein-Kreis Neuss.

Handlungsschwerpunkt Energie- und Verkehrswende

1. Planungsoffensive Erneuerbare Energien

Der Ausbau von Energiequellen aus erneuerbarer Energie gehört zu den größten Herausforderungen in der näheren und mittleren Zukunft. Die CO2-Ziele aus dem Pariser Abkommen sind mit fortschreitender Zeit immer schwerer zu erreichen. Zu lange ist bundesweit ein Ausbau erneuerbarer Energien nur sehr langsam vorangeschritten. Nicht nur aufgrund der weltweiten politischen Unwägbarkeiten erweist sich die „Brückentechnologie“ Erdgas zunehmend als untauglich. Vor unserer Haustür erleben wir die Folgen des Abbaus der Braunkohle. Die ganze Welt erleidet die Folgen der Verbrennung der Braunkohle.

Die Stadt Korschenbroich muss daher endlich aktiv werden und das ihr Mögliche angehen, damit wir unabhängiger werden von teuren Energieimporten, den teilweise fragwürdigen Preisbildungen an den Energiemärkten und klimaschädlichen Energieträgern. In der Stadtplanung müssen die Erneuerbaren Energien konsequent gefördert werden.

Entsprechend wird die Stadtverwaltung prüfen, wo neue Windenergieanlagen gebaut und welche alten Anlagen erneuert und vergrößert werden können. Die Zahl der Anlagen sollte sich verdoppeln, die Leistung mindestens vervierfachen. Geeignete Flächen werden der Regionalplanung als Bedarf gemeldet.

Zudem werden die planungsrechtlichen Voraussetzungen geschaffen, dass landwirtschaftliche Flächen mit Freiflächen-Photovoltaik genutzt werden können. Die bestehenden Anfragen sind aufzugreifen. Die Interessent*innen sind zu ermutigen, solche Projekte weiter voranzutreiben. Der entsprechende Baustein aus dem Klimaschutzkonzept (EE-7) ist mithin vom Ende des Jahres 2025 auf das Jahr 2023 vorzuziehen.

2. Photovoltaik auf öffentlichen Gebäuden

Die Dächer aller Gebäude, die sich im Eigentum der Stadt Korschenbroich befinden, werden umgehend mit jeweils größtmöglichen Photovoltaikanlagen bestückt. Nur Flächen, die im PV-Kataster ausdrücklich als ungeeignet ausgewiesen sind, können davon ausgenommen werden. Den dazu notwendigen Maßnahmen wird in der Finanzplanung der Kommune höchste Priorität eingeräumt, die Dringlichkeit ist in Folge von Klimawandel und Ukrainekrieg evident. Dabei steht nicht nur die Energieproduktion für den Eigenbedarf im Fokus. Auch die Kooperation mit Dritten wie z.B. Bürger*innen-Energiegenossenschaften wird mitgedacht, ermöglicht und aktiv vorangetrieben.

3. CO2-Gebäudesanierung

Ein zentraler Baustein der Wärmewende ist die CO2-Gebäudesanierung. Diese spart Energie und Geld und trägt zum Klimaschutz bei. Eine Dämmung von Dach und Fassade, moderne Fenster oder Heizungsanlagen senken in Neubau und Bestand den Energieverbrauch langfristig und wirksam. Dies eröffnet den Einsatz von Wärmepumpen, welche mit grünem Strom nachhaltig betrieben werden können.

Mit der Maßnahme „SV-7: Energetische Sanierung der städtischen Liegenschaften“ des Klimaschutzkonzeptes wird daher sofort begonnen – und nicht erst Mitte 2025.

4. Gründung eigener Stadtwerke oder Gründung Energiegenossenschaften unter Bürgerbeteiligung

Neben den Einsparungsmöglichkeiten beim Verbrauch von Strom und direkt zum Heizen verwendeten Energieträgern bestehen die größten Potentiale zur Reduktion von CO2-Emissionen beim konsequenten Ausbau regenerativer Energiequellen in lokaler Produktion. Zur Zeit werden Investitionen in diesem Bereich zum großen Teil von Bürger*innen der Stadt auf eigenen Grundstücken und Dächern getätigt.

Daher ist perspektivisch die Gründung einer stadteigenen Gesellschaft zur Beschleunigung des Ausbaus regenerativer Energiequellen und Partizipation an deren Ertragsmöglichkeiten – auch zur Entlastung des städtischen Haushaltes – vorzunehmen. Diese Gesellschaft soll als Akteurin am Energiemarkt auftreten können – entweder in Form eigener Stadtwerke oder im Rahmen der Gründung einer Genossenschaft unter Beteiligung der Stadt sowie der Bürger*innen. Stadteigene Gebäude oder Grundstücke können so weitestgehend mit Anlagen wie z.B. Photovoltaik oder Windkraftanlagen ausgestattet und Überschüsse über den eigenen städtischen Verbrauch direkt zu marktgerechten Preisen an Endverbraucher*innen abgegeben werden.

5. Nahwärmenetze

Der Umstieg auf eine klimaverträgliche Wärmeversorgung stellt die Betroffenen vor teils schwierig zu lösende Aufgaben, weil der Einsatz klimaverträglicher Technologien und Energieträger durch Einzelverbraucher*innen oftmals nicht möglich ist. Innovative Nahwärmenetze stellen hingegen einen klimapolitisch attraktiven Lösungsansatz zur zukunftssicheren Wärmeversorgung privater, kommunaler oder gewerblicher Gebäude dar. Sie erlauben den flexiblen Einsatz fossiler wie auch regenerativer Energien, lassen sich bei entsprechenden Anlagengrößen und Anschlussleistungen kostendeckend betreiben und ermöglichen der Stadt Korschenbroich die Ausgestaltung eines Fahrplans zur Klimaneutralität im Wärmebereich, insbesondere in Quartieren, in denen eine nachhaltige Wärmeversorgung nicht in Sicht ist, weil beispielsweise eine hinreichende CO2-Gebäudesanierung nicht erwartet werden kann.

Nahwärmenetze sind Teil einer Wärmeversorgung in kommunaler Hand als Aufgabe der Daseinsvorsorge. Zur Planung und Realisierung von Nahwärmenetzen und zur Verbesserung der Handlungsfähigkeit in Energiefragen sollen ebenfalls die Stadtwerke beitragen.

6. Vorziehen von Projekten aus dem Klimaschutzprogramm

Die „Sofortmaßnahmen“ aus MOB 11, die nach dem Klimaschutzkonzept erst 2025 starten sollen, werden vorgezogen.

Handlungsschwerpunkt Bauwende

1. Soziale Wohnraumförderung

Die Stadt Korschenbroich nimmt verstärkt soziale Wohnraumförderung in den Blick, um gezielt die Bereitstellung preiswerter Mietwohnungen zu realisieren. Auch die Bildung selbst genutzten Wohneigentums, vor allem für Haushalte mit Kindern, wird unterstützt.

Die Kommune wirbt um private Investor*innen, unterstützt die Bildung von Genossenschaften oder gründet kommunale Unternehmen mit der Zielsetzung, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Sie berät aktiv über Wege zu günstigen Darlehen unter Nutzung des wohnungspolitischen Förderinstrumentariums des Bundes und der Länder. Sie ebnet Zugänge zu geeignetem Baugrund und plant gezielt entsprechende Flächen ein. Im Gegenzug verpflichten sich die unterstützten Akteur*innen, neuen Wohnraum günstig anzubieten.

Es werden verbindliche Zielsetzungen formuliert, die innerhalb der Stadt Korschenbroich erreicht werden sollen.

2. Ökologisches Bauen

Der Gebäudebereich ist in Deutschland alleine für etwa 30% der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Dabei verursacht bereits die Herstellung und Errichtung eines konventionellen Gebäudes rund die Hälfte der Emissionen und des Energieaufwandes, die in einem 50-jährigen Lebenszyklus anfallen. Hinzu kommt, dass der Bausektor rund 50% des in Deutschland anfallenden Abfalls erzeugt.

Um die Klimaziele vor Ort zu erreichen, ist es also unumgänglich, den gesamten Lebenszyklus der Gebäude in den Blick zu nehmen und zu optimieren.

Die Stadt Korschenbroich nimmt ihre Steuerungsmöglichkeiten über die Bauleitplanungen und das Baulandmanagement wahr und befördert das ökologische Bauen. Neben der stetigen Minimierung des Flächenverbrauchs ist eine weitere Zielvorgabe, neue Siedlungsflächen konsequent als so genannte Klimaschutzsiedlungen auszuweisen. Hierbei wird entsprechend der gesamte Lebenszyklus der Gebäude im Sinne des Klimaschutzes und der Ressourceneinsparung in den Blick genommen: Von der Baustoffherstellung über Errichtung und Betrieb bis hin zu Abriss und Recycling.

3. Flächensparendes Bauen

Immer mehr Menschen wollen in Korschenbroich wohnen. Korschenbroich wird also auf Grund seiner attraktiven Rahmenbedingungen weiterhin einen hohen Bedarf an Wohnraum, aber wenig Flächen haben. Der Druck auf unbebaute Flächen führt zur Gefährdung von Acker- oder Grünflächen, denen eine große Bedeutung für Landwirtschaft, Natur und Klimaschutz zukommt.

Eine flächensparende Bauweise ist das Mittel der Wahl, um Naturräume zu erhalten und eröffnet darüber hinaus die Chance, zukünftige Lösungen zur gemeinsamen Infrastruktur (Verkehr, Wärmeversorgung) effizienter und besser zu nutzen.

Durch flächensparende Bauweise sollen auf einer Baufläche für möglichst viele Menschen geeignete Wohnungen geschaffen werden. Im Bestand kann dies beispielsweise durch die vermehrte Aufstockung oder den Ausbau von Dachgeschossen erreicht werden. In neuen Baugebieten wird der Anteil von Gebäuden mit mehreren Stockwerken, in denen mehrere Wohnungen mit flexiblen Grundrissen für unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten durch die Vorgaben der Stadtplanung gefördert werden, deutlich erhöht. Auch werden gezielt kleinere Einheiten geplant, um den in den letzten Jahren permanent gestiegenen Pro-Kopf-Wohnflächenverbrauch zu dämpfen und den hohen Erstellungs- und Unterhaltungskosten entgegenzuwirken.

4. Nicht genutzte (bestehende) Gewerbeflächen reaktivieren

Statt neue Gewerbegebiete zu planen, kann die nachhaltige Entwicklung von älteren Gewerbegebieten im Bestand in erheblichem Maße zu einer ressourcenschonenden Stadtentwicklung in Korschenbroich beitragen. Sie sind daher in die Stadtentwicklungsstrategie einzubinden, bei der Nachhaltigkeit sowie ökologische und soziale Aspekte die prägenden Leitideen sein sollen.

Vermarktungshemmnisse sind abzubauen, Leerstände bzw. Unternutzungen und Brachflächen sind zwingend einer höherwertigen Nachnutzung zuzuführen. Die Verwaltung setzt sich für die Gründung von Interessengemeinschaften, die Entwicklung von Kooperationen in gewerbegebietstypischen Entscheidungsfeldern sowie für die Etablierung eines proaktiven Gewerbegebietsmanagements ein. Die Wirtschaftsförderung der Stadt wird dabei eine führende Rolle übernehmen.

Handlungsschwerpunkt Soziales, Demokratie und Kultur

1. Demokratieförderung

Um in Gleichheit, Freiheit und Frieden leben zu können, bedarf es der Stärkung demokratischer Kultur und der Prävention menschen- und demokratiefeindlicher Einstellungen. Politikverdrossenheit muss entgegengewirkt werden, um eine funktionierende Demokratie zu gestalten. Daher ermöglichen wir es Schüler*innen in weiterführenden Schulen, Mehrheiten für eigene Ideen zu finden und die Umsetzung zu beschließen.

Dazu wird die Jugendkonferenz zu einem echten Jugendparlament ausgebaut. Das Jugendparlament setzt sich aus gewählten Mitgliedern (z. B. Klassen-, Stufen- und Schulsprechern) zusammen, die an den Sitzungen teilnehmen. Der Vorsitz wird vom Jugendparlament gewählt. Die Inhalte werden von einem aus dem Jugendparlament gewählten Gremium bestimmt.

Das Jugendparlament erhält didaktische Unterstützung von ausgebildeten Fachkräften. Es verfügt über ein eigenes Budget und ist Bestandteil des Jugendausschusses.

Denn nur echte Partizipation hilft, Kompetenzen zu stärken, das Lebensumfeld zu verbessern und für größere Zufriedenheit mit den Strukturen zu sorgen, Demokratie zu verstehen sowie Rassismus und Vorurteilen vorzubeugen und Sprachbarrieren zu überbrücken.

2. Lebenswerte Stadt für alle Generationen und Kulturen – WerkStadt-Prozess umsetzen

Die folgenden, in Korschenbroich bereits beschlossenen Strategieziele sollen mit Leitideen aus dem WerkStadt-Prozess umgesetzt werden: „9. Bedarfsgerechte Förderung der Wohnungsvielfalt: Wohnformen für alle, bezahlbarer und öffentlich geförderter Wohnraum; kleine Wohnungen im Mietsegment, generationengerechte Quartiere; 10. Aktivierung und Festigung lebendiger Nachbarschaften; 11. Förderung des Heimatgedankens und der Pflege örtlicher Traditionen, Verbundenheit und Identifikation mit der Stadt durch eigenes Engagement; 12. Ausbau der Informations- und Beratungsstellen/Angebote für Neubürger*innen.“

Die UN-Behindertenrechtskonvention wird auch in Korschenbroich umgesetzt, Teilhabebarrieren werden überwunden. Da besonders Familien, Menschen mit Behinderung, Geflüchtete und Senior*innen es oft schwer haben, am öffentlichen Leben teilzunehmen, wird diesen Bevölkerungsgruppen fachlich versierte Unterstützung, Hilfestellung für ein eigenständiges Leben, aufsuchende Hilfe und Information in leichter Sprache angeboten.

3. Interkulturelles, vielfältiges Kulturprogramm

„In unseren zunehmend vielgestaltigen Gesellschaften ist es wichtig, eine harmonische Interaktion und die Bereitschaft zum Zusammenleben von Menschen und Gruppen mit zugleich mehrfachen, vielfältigen und dynamischen kulturellen Identitäten sicher zu stellen. Nur eine Politik der Einbeziehung und Mitwirkung aller Bürger*innen kann den sozialen Zusammenhalt, die Vitalität der Zivilgesellschaft und den Frieden sichern. Ein so definierter kultureller Pluralismus ist die politische Antwort auf die Realität kultureller Vielfalt. Untrennbar vom demokratischen Rahmen führt kultureller Pluralismus zum kulturellen Austausch und zur Entfaltung kreativer Kapazitäten, die das öffentliche Leben nachhaltig beeinflussen. […] Kulturelle Vielfalt erweitert die Freiheitsspielräume jeder Einzelnen/jedes Einzelnen; sie ist eine der Wurzeln von Entwicklung, wobei diese nicht allein im Sinne des wirtschaftlichen Wachstums gefasst werden darf, sondern als Weg zu einer erfüllteren intellektuellen, emotionalen, moralischen und geistigen Existenz.“ (Allgemeine Erklärung der UNESCO zur kulturellen Vielfalt)

Daher erarbeitet die Verwaltung ein Kulturprogramm, das zur Aufgabe hat, unsere vielfältige und vielschichtiger werdende Stadtgesellschaft zusammenzuhalten und den o. g. Erkenntnissen Rechnung zu tragen. Dabei ist es erforderlich, gewachsene Strukturen und Institutionen zu sichern und gleichzeitig neue gesellschaftliche und kulturpolitische Herausforderungen zu berücksichtigen. Darüber hinaus spielen Bildungs- und Einkommensunterschiede eine Rolle bei der Nutzung von Kulturangeboten. Es ist somit wichtig, unterschiedliche Angebote zielgruppenorientiert bereitzuhalten bzw. zu entwickeln.

Ein weiterer Schwerpunkt soll sein, gerade jungen Menschen ein ansprechendes und auf ihre Bedürfnisse sowie ihren Erfahrungshintergrund zugeschnittenes Kulturangebot anzubieten.

4. Jugendliche mit Angeboten erreichen

Viele Jugendliche im Korschenbroicher Stadtgebiet werden durch die stationären Angebote der Jugendarbeit nur bedingt erreicht. Daher wird ein Konzept erstellt, um Jugendliche bei der Gestaltung von Lebensräumen und jugendkulturellen Ausdrucksformen in den einzelnen Stadtteilen zu unterstützen.

  • Es wird eine aufsuchende Jugendarbeit etabliert. Hierfür gehen pädagogische Kräfte gezielt an die Treffpunkte junger Menschen, um sie aktiv anzusprechen (zum Beispiel Streetmobil, Besuche auf Bolzplätzen, Skateranlage, andere Nischen im öffentlichen Bereich, wo Jugendliche sich aufhalten, Besuche in den Schulen, kontinuierliche Kontakte, flexible Erlebnis- und freizeitpädagogische Angebote).
  • Es wird ein kulturelles Angebot für Jugendliche erstellt (Musikfestivals o.ä.).
  • In regelmäßigen Abständen werden in Zusammenarbeit mit den Jugendlichen Festivitäten organisiert.
  • Die Jugendeinrichtungen leisten eine überaus wertvolle Arbeit. Ergänzend sollen jungen Menschen über niedrigschwellige und aufsuchende Angebote die Gelegenheit erhalten, ihren Weg in die Gesellschaft zu finden, auch wenn sie den Zugang in eine Jugendeinrichtung nicht gehen können.

Auf diesem Weg kann es gelingen, einem Teil der Jugendlichen auch einen Zugang zu den bestehenden stationären Einrichtungen zu verschaffen und diese über eine Einbindung zu stärken.

5. Jugendförderung Sport

Die Jugendarbeit in den Vereinen wird unterstützt. Es werden Trainer*innenschulungen ermöglicht/gefördert und besonders auch für Jugendliche angeboten. Den Vereinen werden Kooperationsangebote gemacht, an denen auch die Jugendeinrichtungen beteiligt werden. Drogenpräventionsangebote werden gefördert.

6. Qualitätskriterien „Offene Ganztagsbetreuung“

Kinder sollen die Möglichkeit erhalten, zu selbstsicheren und selbstständigen Persönlichkeiten heranzuwachsen. Dazu wird u.a. ein fachlich qualifiziertes und umfassendes Betreuungsangebot an den offenen Ganztagsangeboten vorgehalten. Dort wird ein ressourcenorientiertes, ganzheitliches Lernen und Erziehen für alle Kinder gemäß ihrer Fähigkeiten und Fertigkeiten angeboten. Dieses Angebot fördert umfassend die geistigen, körperlichen, seelischen und sozialen Aspekte. Zahlreiche Arbeitsgemeinschaften unterstützen dabei ein pädagogisch aufgestelltes Konzept.