Christian Tümmers fordert bessere Anbindung und zukunftssichere Entwicklung aller Ortsteile

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Der 37jährige Diplom-Politologe Christian Tümmers ist gebürtiger Mönchengladbacher und lebt mit seiner Familie mit Unterbrechung durchs Studium seit 1985 in Schlich. Er arbeitet auf dem Lammertzhof in Kaarst und ist darüber hinaus mit einem Handwerksservice selbständig. Christian setzt sich unter anderem dafür ein, die gewachsenen dörflichen Strukturen im südlichen Korschenbroicher Stadtgebiet zu erhalten und die umgebende Kulturlandschaft zukunftssicher zu gestalten. Er kandidiert auf Platz 10 der grünen Liste für den Stadtrat und direkt im Wahlbezirk 520 (Glehn/Schlich).

Verkehrswende und der öffentliche Nahverkehr

Die Verkehrswende, wie wir Grüne sie anstreben, hat in Glehn und den umliegenden Dörfern eine ganz andere Bedeutung als bspw. in Korschenbroich oder Kleinenbroich. Um zu den dortigen S-Bahnhöfen zu gelangen, müssen Menschen aus Scherfhausen oder Rubbelrath mindestens 5 km mit dem Rad zurücklegen oder selten fahrende Busse nutzen. Das Auto ist noch immer das Transportmittel Nr. 1 im ländlichen Bereich. Wie kann sich daran etwas ändern?

Christian Tümmers: In der Tat ist die Anbindung an den ÖPNV in den Korschenbroicher Dörfern absolut unzureichend. Um beispielsweise von Glehn zum S-Bahnhof in Kleinenbroich zu gelangen, ist man auf den selten verkehrenden Linienbus angewiesen. Die einzelne Fahrt schlägt mit 2,80 € zu Buche. Immerhin bietet hier der Bürgerbus eine Alternative. Dieser auf ehrenamtlichem Engagement fußende Service ist zurzeit allerdings aufgrund der Corona-Pandemie außer Betrieb. Im Übrigen kann und darf sich die Entwicklung eines zukunftsfähigen ÖPNV nicht auf einen solchen, durch einen Verein getragenen Bürgerbus beschränken.
Aus meiner Sicht bedarf es eines deutlich dichteren Busliniennetzes, um sämtliche Korschenbroicher Stadtteile  untereinander und vor allem mit einem der beiden S-Bahnhöfe zu verbinden. Die Taktung der S-Bahnlinie 8 sollte zudem erhöht werden.
Um vor allem für Berufspendler an Attraktivität zu gewinnen, muss beim ÖPNV in Vorleistung getreten werden.  Das häufig formulierte Argument, die Busse führen ja jetzt schon häufig leer, mag im ersten Moment verfangen. Wenn das ÖPNV-Netz aber erst mit der nötigen Dichte und Frequenz ausgebaut ist, werden die entsprechenden Verkehrsmittel auch von mehr Bürgern genutzt werden.

Darüber hinaus sollte natürlich das Radwegenetz im Stadtgebiet deutlich verbessert und ausgebaut werden. Zu einer gut funktionierenden Fahrradinfrastruktur gehören ebenso deutlich mehr sichere Fahrradparkplätze in Bahnhofsnähe und in den Geschäftsbereichen in sämtlichen Ortsteilen. Wir fordern daher mindestens drei so genannte Mobilitätsstationen, wo die verschiedenen Systeme verzahnt und besser nutzbar gemacht werden – z.B. durch E-Ladestationen und Mitfahrbänke.

Eine Folge der bisher schlechten ÖPNV-Anbindung ist der starke und oft zu schnelle Durchgangsverkehr in Dörfern wie Lüttenglehn oder Schlich. Was lässt sich dagegen tun?

CT: Die Problematik des zu schnellen Fahrens in Durchgangsorten ist schon seit langem bekannt, wird aber bisher im Grunde weitestgehend ignoriert. Auch in unserer Dorfgemeinschaft Schlich wird dies immer wieder thematisiert. Zu schnelles Fahren führt ja nicht nur zu einem erhöhten Unfallrisiko vor allem für Kinder, sondern bedeutet auch eine teils erhebliche Lärmbelästigung für die Wohnanlieger. Entsprechende Vorsprachen bei der Stadtverwaltung blieben bislang wirkungslos.  Eine erste Maßnahme wäre die Einführung von maximal Tempo 30 auf den Durchfahrtsstraßen. Die schon an anderen Stellen von uns geforderten 5000 neuen Straßenbäume für Korschenbroich könnten einen weiteren Beitrag zur Geschwindigkeitsreduktion leisten.
Die sich erhöhende Anzahl von am Straßenrand geparkten Autos und Transportern führt zwar in manchen Engstellen gezwungenermaßen zu langsamerem Fahren. Auf der anderen Seite steigt die Unsicherheit für Radfahrer und Fußgänger. Vor allem für kleinere Kinder ist es z.B. in Schlich auf Grund parkender Autos an vielen Stellen unmöglich, den Straßenverlauf weit genug zu Überblicken und die Straße gefahrlos zu überqueren. Hier könnten markierte Parkbereiche und Querungshilfen Abhilfe schaffen.

Klimaschutz in Korschenbroich

Die für uns Grüne erfolgreiche Europawahl im vergangenen Jahr hat vielen Menschen, die einen ökologischen und sozialen Wandel anstreben, einen immensen Motivationsschub gegeben. Sollte sich ein ähnliches Ergebnis bei der Kommunalwahl wiederholen lassen, würden sich die Mehrheitsverhältnisse im Korschenbroicher Rat deutlich verschieben. Welche Möglichkeiten brächte dies mit sich?

CT: Seit Jahrzehnten haben sich die Mehrheitsverhältnisse im Rat in Korschenbroich gar nicht oder nur marginal verändert.
Ein Ziel von uns Grünen ist es, neue, konstruktive Impulse zu setzen. Die Ursachen und (potentiellen) Folgen der sich immer schneller vollziehenden Klimakatastrophe sind teilweise seit Jahrzehnten bekannt. Und trotzdem scheint das Festhalten an überkommenen Lebensstilen und Verhaltensweisen wichtiger als der Erhalt unserer Umwelt.
Auch für Korschenbroich sind hier konkrete Versäumnisse zu benennen: So wurde beispielsweise die Stelle einer*s Klimaschutzmanger*in über Jahre nicht besetzt. Nach Photovoltaik- oder Solaranlagen sucht man auf den Dächern öffentlicher Gebäude im Stadtgebiet nahezu vergebens. Eine kürzlich auf Betreiben der Grünen Fraktion durchgeführte Untersuchung ergab jedoch, dass fast alle Gebäudedächer grundsätzlich für eine solche Nutzung geeignet wären. Der Bezug von echtem Ökostrom für öffentliche Gebäude und Einrichtungen ist in Korschenbroich nicht Standard.
Der Ausrufung des Klimanotstandes für die Stadt Korschenbroich verweigert man sich bislang völlig, obwohl hier viele andere große und kleine Städte weltweit mit gutem Beispiel voran gehen.
Diese und viele andere Änderungen könnte eine starke Grüne Fraktion im Korschenbroicher Stadtrat vorantreiben. Je mehr Grüne in den nächsten Rat der Stadt gewählt werden, desto transparenter, sozialer und nachhaltiger wird die zukünftige Politik in Korschenbroich sein.

Bürger stärker bei konkreten Maßnahmen einbeziehen

Ein konkretes grünes Ziel ist die stärkere Partizipation aller Bürger*innen an politischen Entscheidungsprozessen. Bürgerschaftliches Engagement schreiben sich zwar alle Parteien auf die Fahnen. Wenn’s konkret wird, hakt es aber oft. Kannst Du das vielleicht an ein, zwei Beispielen aus der Dorfgemeinschaft Schlich, in der Du aktiv bist, verdeutlichen?

CT: Der Informationsfluss bezüglich bestimmter Maßnahmen der Stadtverwaltung ist in der Regel dürftig. Ein konkretes Beispiel ist die kürzlich durchgeführte Befestigung des landwirtschaftlichen Wiesenweges zwischen Hellweg und Schlickumsweg. Viele Anwohner stellten sich hier die Frage, zu welchem Zweck dieser Weg aufwändig und kostspielig befestigt und teilversiegelt wurde. Ein nachvollziehbarer Nutzen war hier für niemanden erkennbar. Auch auf den Internetseiten der Stadt war keinerlei Information zu finden. Erst nach persönlicher Rückfrage bei der Stadt erhielten wir die Information, dass diese Maßnahme notwendig sei, um der Müllabfuhr das rückwärts Einfahren in den Schlickumsweg zu ersparen. Warum die Müllabfuhr nicht einfach am Ende des Schlickumsweg im asphaltieren T-Stück wendet, bleibt offen.

Ein anderes Beispiel ist der „Werkstadt-Prozess“ zur Erarbeitung einer Stadtentwicklungsstrategie. Die hier behandelten Themen, zu denen die Bürger in einer Online-Umfrage Stellung beziehen können, wurden vorab von Arbeitskreisen, bestehend aus sogenannten Multiplikatoren, ausgewählt und vorsortiert. Dieser Prozess war intransparent.
Außerdem ist die Zusammensetzung dieser Arbeitskreise nicht etwa per Zufallsauswahl erfolgt, sondern es wurden neben Vertretern aus Politik und Verwaltung nur Personen aus bestimmten Bereichen des städtischen Lebens ausgewählt. Vertreter „normaler“ Bürger wie z.B. aus Dorfgemeinschaften sucht man hier vergebens.
Von einer ernsthaften Bürgerbeteiligung kann hier also keine Rede sein.  

Klimafolgenanpassung in Korschenbroich

Zum Abschluss eine Frage aus aktuellem Anlass: Am 15. August waren Kleinenbroich und Glehn von einem starken Unwetter betroffen. Große Regenmengen gingen in kurzer Zeit nieder, Straßen und Keller wurden überflutet. Wie können wir uns zukünftig besser gegen solche extremen Wetterphänomene rüsten?

 CT: Grundsätzlich müssen insbesondere die Eigentümer und Anwohner gefährdeter Bereiche vor solchen und ähnlichen Wetterphänomenen aktiver über Risiken und eventuelle Gegenmaßnahmen informiert und beraten werden.
Sicherlich ließen sich die Risiken beispielsweise vor Überflutungen teilweise durch kleinere, bauliche Maßnahmen an und um potentiell gefährdete Gebäude verringern.
Darüber hinaus sollte seitens der Stadtverwaltung geprüft werden, ob und inwiefern das Entwässerungssystem in Risikobereichen optimiert werden muss, um die hohen Wassermengen bei sich häufenden Starkregenereignissen zügig abzuführen.
Es sollten Maßnahmen entwickelt werden, die Wassermengen verringern können, die der Kanalisation zugeführt werden. Hier wäre zum Beispiel die Entsiegelung bestimmter Flächen zu prüfen und weitere Versiegelung zu vermeiden.  Dies trifft übrigens auch auf die großflächigen Felder zu. Eine kleinteiligere Landwirtschaft mit Hecken und Gräben wäre sicher sinnvoll.
Insgesamt werden aber wohl auch wir Korschenbroicher lernen müssen, mit den irreversiblen Folgen des Klimawandels umzugehen.