Interview mit Martin Kresse zum Thema Landeseinrichtung in Korschenbroich

Anlässlich der aktuellen Diskussion zur geplanten Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) für Flüchtlinge des Landes NRW im Gewerbegebiet „Am Püllenweg“ haben wir ein Interview mit Martin Kresse – Sprecher des Ökumenischen Arbeitskreises Asyl Korschenbroich und Grünen-Mitglied – geführt und sind dabei auf einige Fragen eingegangen, die die Bürger*innen in Korschenbroich beschäftigen.

Martin ist Gründungsmitglied des Ökumenischen Arbeitskreises Asyl, der anlässlich des Kosovo-Kriegers ins Leben gerufen wurde. Zwischenzeitlich gab es immer wieder mal ruhigere Zeiten, doch seit dem Syrienkrieg ist der Arbeitskreis wieder voll aktiv. Durch sein wichtiges bürgerliches Engagement ist der Kreis zusammen mit der Bevölkerung ein autonomer Partner für humanitäre Hilfen und bei der gelungenen Integration von Flüchtlingen. Er unterscheidet sich von staatlichen Systemen, die durch Recht und Gesetz eng gebunden sind.

Welche Fakten sind bisher zu der geplanten Landeseinrichtung bekannt?

Wir Kommunalpolitiker fordern schon länger, dass auch das Land NRW Unterbringungsmöglichkeiten anbietet, um Kommunen zu entlasten. Dies wird durch die die geplante Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) für Flüchtlinge des Landes erreicht. Die Unterkunft ist für ca. 400 Flüchtlinge angedacht, die nach ihrem Aufenthalt in einer Landeserstaufnahmeeinrichtung mit Vorregistrierung und Asylantragstellung anschließend in Korschenbroich untergebracht werden.

Die Landeseinrichtung selbst ist autonom, d. h. die Flüchtlinge werden rund um die Uhr versorgt. Kinder werden vor Ort mit Bildungs- und Beschäftigungsangeboten betreut. Erwachse haben die Möglichkeit, sich jeweils in der Einrichtung gegen eine Aufwandsentschädigung zu engagieren. Für die Unterkunft gilt eine sogenannte Residenzpflicht, dies bedeutet, dass die Bewohner jeden Abend in die Unterkunft zurückkommen müssen. Diese Einrichtung dient nicht zur Integration in die Stadt Korschenbroich, sondern ist eine autonome Rundumversorgung bis zur Verteilung in eine andere Kommune oder Rückführung ins Herkunftsland.

Um Schwellenängste abzubauen und Probleme früh zu erkennen, verfügen Landeseinrichtungen über ein sogenanntes Umfeldmanagemet. Dieses Management unterstütz dabei, persönlichen Kontakt zwischen den Menschen in Einrichtung und der Nachbarschaft herzustellen.

In den Landesunterkünften steht auch eine psychosoziale Betreuung zur Verfügung, um z. B. Traumata begleiten zu können.

Letztendlich ist die Unterkunft nur eine Zwischenstation, nach ca. 1 – 2 Jahren werden die Flüchtlinge auf die anderen Kommunen verteilt; damit endet erstmal ihre Reise und sie kommen in ihrem neuen Lebensumfeld an, bis ihr Asylantrag entschieden wird.

Wie ist der Alltag in einer solchen Einrichtung?

Der Rhythmus wird durch die Mahlzeiten geprägt, die den religiösen Vorschriften entsprechend in Speiseräumen angebotenen werden. Kinder haben unterschiedliche Betreuungs- und Schulangebote von 25 Stunden die Woche. Die Bewohner können sich im Alltag der Einrichtung nützlich machen. Zudem steht es den Bewohnern frei, Bekannte in der Umgebung zu besuchen oder persönliche Besorgungen mit ihrem Taschengeld zu realisieren.

Das Leben in der Einrichtung wird von Wohlfahrtsverbänden und Betreuungsinstutionen organisiert.

Wenn feststeht, ob die Einrichtung nach Korschenbroich kommt und wer sie betreibt, werden wir vom Arbeitskreis Asyl Kontakt mit den Betreibern aufnehmen und ggf. Hilfen anbieten.

Was sind die Vorteile einer solchen Landeseinrichtung für Korschenbroich?

Die Flüchtlinge in der zentralen Einrichtung werden zu 100% auf Aufnahmequote angerechnet, sodass die Stadt Korschenbroich nicht so viele Unterkünfte, Kindergarten- und Schulplätze zur Verfügung stellen muss. Auch die Infrastruktur der Stadtverwaltung wird durch diese Flüchtlinge nicht beansprucht.

Was passiert, wenn zentrale Unterkunft nicht nach Korschenbroich kommt?

Die Stadt Korschenbroich würde vor enormen finanziellen und personellen Verpflichtungen stehen, da sonst jedes Jahr für etwa 300 Flüchtige Unterkünfte zur Verfügung gestellt werden müssen. Außerdem müssten Plätze in Kindergärten und Schulen geschaffen werden. Weil dies kaum zu schaffen ist, ist zu befürchten, dass die jetzigen Turnhallen nicht leergezogen werden, sondern weitere Hallen besetzt werden müssen, sodass Breiten- und Schulsport weiter eingeschränkt werden muss.

Was sind deine bisherigen Erfahrungen mit bereits bestehenden Einrichtungen in Korschenbroich?

Bisher ist die Stadt Korschenbroich mit den dezentralen Unterbringen der zugewiesenen Flüchtlinge erfolgreich gewesen. In den ersten Monaten gab es da und dort Beschwerden, dies hat aber schnell nachgelassen, da die Flüchtlinge integriert wurden. Die Integration in Schulen und Kindergärten hat ebenfalls zu einer Erleicherung geführt.

Wenn wir die Zeit nach dem Syrienkrieg betrachten, sind bisher über 50 % der Flüchtlinge in Arbeit gekommen. Schwieriger ist die Lage auf dem Wohnungsmarkt, sodass sie oft städtische Unterkünfte nicht verlassen können.

Es gibt verschiedene Café- und Kontaktangebote, wo Flüchtlinge und Bevölkerung zusammen kommen können. Hier sind schon Freundschaften entstanden. Auch die Integration von Kindern gelingt reibungsloser als oft erwartet, weil die sprachliche Barriere schnell überwunden wird. Auch sind die Sprachangebote Für Erwachsene vielfältig geworden, sodass es für den Alltag oft reicht. Behördenkontakte ausserhalb Korschenbroichs sind allerdings oft mühsam.

Wie können wir dazu beitragen, Ängste und Vorurteile von Bürgerinnen und Bürger aufzufangen?

Kontaktangebote sind die beste Medizin für ein friedliches Zusammenleben. Wir sind auf die Zuwanderung von Menschen mit unterschiedlichen Kompetenzen angewiesen, weil wir selbst zu wenig Arbeitskräfte haben. Nur so kann die Wirtschaft und Dienstleister die demographischen Herausforderungen meistern.

Integration ist ein langwieriger Prozess und bedarf eins hohen Engagements auf allen Seiten. Dazu gibt es keine Alternativen.

Martin Kresse