Unsere Rede zum Haushaltsentwurf 2020

Windenergie eine Quelle für Zukunft.

Fraktionsvorsitzender Jochen Andretzky hielt die Rede zum Haushaltsentwurf 2020 der Stadt Korschenbroich am 28.11.2019

Zwischenheadlines, Unterstreichungen und Fettungen wurden nachträglich eingefügt, um eine gute Lesbarkeit zu gewährleisten.

Einleitung

Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren,

auch wenn mit mir heute ein Weiterer als in den vergangenen 19 Jahren für die Grünen Korschenbroichs die Rede zum Haushalt hält, so hat sich doch an den wesentlichen Zielen nichts geändert:

Die Grünen im Rat und den Ausschüssen der Stadt Korschenbroich stehen weiterhin für eine umwelt- und gesellschaftsorientierte Politik. Wir werden uns außerdem weiterhin für eine nachhaltige Finanzpolitik der Stadt Korschenbroich einsetzen. Dabei sind unsere Anträge als Zielvorgaben für die entsprechenden Produkte im Produkthaushalt der Stadt verstehen. Weitere Anträge werden wir in den Ausschüssen konkretisieren und gegebenenfalls quantifizieren. Darum haben wir zwei wesentliche Grundmotive in unseren Anträgen verfolgt: konsequenten Klimaschutz und eine Stärkung der Demokratie!

Beides sind hochaktuelle Themen. Und es gibt zwischen beiden Themen starke Zusammenhänge. Der Klimawandel und die Klimafolgen bedrohen letztlich unsere demokratischen Strukturen. Während der Populismus von Rechts versucht, den Klimawandel klein zu reden und die Folgen des Klimawandels zu beschönigen und wirksame Maßnahmen zu verhindern.

Themenbereich: Klimakrise

„I want you to panic!“ rief Greta Thunberg in Davos der versammelten Wirtschaftselite zu. Sie schafft es, wissenschaftlich gesicherte Aussagen und Prognosen anschaulich zu vermitteln, und mit ihrer klaren Sprache viele Menschen aufzurütteln. So auch hier in Korschenbroich. Der bereits begonnene und sich verschärfende Klimawandel und die Notwendigkeit sich mit seinen Folgen auseinanderzusetzen, stellen eine große Herausforderung für die Stadt Korschenbroich dar.

Ich möchte dabei betonen, dass dieser Klimawandel menschengemacht ist. Die Durchschnittstemperaturen weltweit, in der Arktis, in der Antarktis, usw. eilen von einem traurigen Rekord zum nächsten. In diesem Sommer wurden in unserer Heimat – so im nahe-gelegenen Tönisvorst und Geilenkirchen – die höchsten Temperaturen in Deutschland seit Beginn der Wetteraufzeichnungen gemessen. Die Rekorde haben jedoch leider nur eine kurze Dauer, sie wurden bereits am nächsten Tag andernorts übertroffen. Sehr viele Bäume in unserem Stadtgebiet gehen ein. Auch bei uns nehmen die Vielfalt und die Zahl der Pflanzen, Tiere und Insekten rapide ab.

Die zufällig hereinbrechenden Regenfluten eines Starkregens haben wir in Korschenbroich ebenfalls schon zu spüren bekommen. In den Wäldern, in den Gärten und an den Straßen geben der Borkenkäfer, andere Schädlinge und Krankheiten den geschwächten Bäumen den Rest. Daher sehen wir als grüne Fraktion einen deutlich stärkeren Handlungsbedarf als er bisher aus den Anträgen von CDU und SPD deutlich wird, oder wie er im Konzeptpapier der hiesigen CDU wiederzufinden ist.

Als GRÜNE legen wir daher einen Maßnahmenkatalog vor, um schneller die CO2-Reduzierungsziele zu erreichen. Dabei sehen wir und erkennen an, dass sich bei dem Thema Klimaschutz und Mobilität eine positive Bewegung bei der CDU und der SPD hier im Rat eingestellt hat. Langjährige grüne Forderungen, die bislang abgelehnt oder auf die lange Bank geschoben worden sind, werden plötzlich in Anträgen oder auch in Konzeptpapieren aufgegriffen. Selbst bislang nicht umgesetzte Beschlüsse werden wieder hervorgeholt. Ich hoffe nur, dass sie jetzt tatsächlich umgesetzt werden!

Meine Fraktion wird sich dafür einsetzen, dass in allen Politikbereichen, allen Ausschüssen und allen Entscheidungen der Verwaltung der Klimawandel und die Klimafolgenabschätzung eine wichtige Stellung einnehmen. Es muss regelmäßig Berichte über die geplanten und umgesetzten Maßnahmen des Klimaschutzes sowie der Minimierung der zu erwartenden Klimaschäden geben.

Themenbereich: Mobilität

Ich möchte zum Thema „Mobilität“ kommen: Weniger Autoverkehr macht Städte lebenswerter. Es hebt die Lebensqualität erheblich, wenn wenig Autoverkehr durch die Städte fließt. Das kann man im Großen schon lange in Städten wie Münster, Freiburg oder Maastricht sehen. Korschenbroich muss die Chance wahrnehmen und nicht weiter auf Autoverkehr setzen. Es soll möglich sein, dass Grundschüler gefahrfrei mit dem Rad quer durch die Stadt fahren können. Das hohe Gewicht und die hohe Geschwindigkeit von Autos, Transportern und Lastwagen auf unseren Straßen sind nicht nur extrem klimaschädlich, sie sorgen auch für hohe Emissionen an Feinstaub und giftigen Schadstoffen. Daher unterstützen wir sehr die in der Haushaltsberatung beschlossene Konzeption für emissionsarme Antriebe in der Verwaltung und dem Eigenbetrieb. Autos, Transporter und Lastwagen sind aber auch tonnenschwere, tödliche Gefahren, die vornehmlich Fußgänger und Radfahrende bedrohen. Es sind insbesondere die Schwächeren, die angefahren und überrollt werden.

Wir brauchen daher mehr Fahrräder in der Stadt! Wir dürfen, diejenigen, die klimafreundlich mit Rad oder zu Fuß unterwegs sind, nicht länger – im wahrsten Sinne des Wortes – an den Rand drängen. Ob zum Kindergarten, zur Schule, zum Einkaufen, zur S-Bahn oder zur Arbeit viele dieser Wege bei uns sind kurz – ideale Bedingungen für eine gesunde und klimafreundliche Fortbewegung. Wenn wir die Voraussetzungen dafür schaffen. Daher wollen wir als Fraktion das Zufußgehen und das Fahrradfahren fördern. Wir wollen Tempo-30-Zonen in Fahrradstraßen umwandeln. Wir wollen Fahrradwege verbessern und Ampelschaltungen gerechter gestalten.

Von S-Bahn getrennte Stadtteile wieder stärker verbinden

Wie in Kaarst-Büttgen an mehreren Stellen sollen auch die S-Bahn-Unterführungen in Korschenbroich und Kleinenbroich endlich für Radfahrer freigegeben werden. Die von den Herrenshoffern empfundene Schikane könnte so endlich beendet werden, ebenso die fahrradmäßige „Trennung“ Kleinenbroichs überwunden werden. Es ist offenbar in Kaarst möglich, bei gegenseitiger Rücksichtnahme gemeinsam eine solche Unterführung zu nutzen. Meine Fraktion will die Verbindungen mit Bussen und Bahnen verbessern.

Bessere Busanbindungen

Mehr Einwohnerinnen und Einwohner sollen auf ihr Auto verzichten können, und da, wo es nicht zu Fuß oder mit dem Fahrrad geht, mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren können. Dabei muss die Nutzung attraktiv sein, sowohl von der Fahrzeit her als auch vom Preis. Wir wollen getaktete Busverbindungen in der Stadt und eine verbesserte Anbindung an die Nachbarstädte. Die S-Bahnen als Rückgrat müssen von allen Ortsteilen her gut mit öffentlichem Nahverkehr, der an die Taktzeiten der S-Bahnen angepasst ist, erreicht werden können.

Baugebiet „An der Niers-Aue“

Fast schon ein wenig irrational empfinde ich die Haltung einer Mehrheit innerhalb von CDU und SPD bei der Anbindung des Baugebietes „An der Niers-Aue“. Hier werden seit nunmehr drei Jahren die Wünsche der neuen Bewohnerinnen und Bewohner dieses Gebietes ignoriert. Es werden von CDU und SPD verschleppende Prüfaufträge gestellt, Scheinlösungen mit langen und nicht ungefährlichen Umwegen präsentiert und letztlich die Menschen in dem Gebiet allein gelassen.

Erneuerbare Energien statt Braunkohle

Zum Themenbereich „Energie“ beginne ich mit einer Bemerkung zum derzeitigen Landrat des Rhein-Kreises Neuss: Er gehört leider aus meiner Sicht ganz offensichtlich nicht zu den Menschen, die die mahnenden Rufe der Jugend und der Wissenschaft hören und die ihr klimaschädliches Verhalten ändern wollen. Er stellt jüngst sogar in den Raum, dass die Braunkohleförderung und -verbrennung im Rheinischen Revier über das Jahr 2038, also noch für mehr als 19 weitere Jahre weitergehen sollen!! Dabei spüren wir in diesem Kreis und in unserer Stadt unmittelbar, wie nachteilig sich der Braunkohleabbau auf die Natur und den Wasserhaushalt auswirkt. Die Bäche in unserer Stadt haben ihre natürlichen Quellen längst verloren. Ob sie jemals wieder auf natürliche Weise gespeist werden können, ist völlig unklar. Wir haben Teiche, die trocken fallen, weil es zu wenig Wasser gibt.

Andererseits bedroht wieder ansteigendes Grundwasser die Bausubstanz in einigen Gebieten unserer Stadt. Jedes Mal, wenn ich nach Süden schaue und den Rauch und Wasserdampf über Grevenbroich in den Himmel steigen sehe, wird mir schmerzlich bewusst, wie sehr die Schlote des Rheinischen Reviers das Klima schädigen. Diese Form der Energieerzeugung gehört zu den schädlichsten, die es gibt. Und das passiert vor unserer Haustür, in unserer Heimat! RWE ist der mit Abstand größte CO2 -Emittent unter den Dax-Konzernen.

Aus diesen Gründen müssen und wollen wir den Ausbau der erneuerbarer Energien hier im Ort vorantreiben. Photovoltaik und Windenergie sollen auch bei uns noch stärker genutzt werden. Dieses ist für den Klimaschutz sehr wichtig. Darüber hinaus kommen die aus der Energieerzeugung gewonnenen Einnahmen nicht nur den Bürgerinnen und Bürgern und den Landwirten sondern auch über die Steuereinnahmen letztlich dem Stadtsäckel zugute. Bürokratische Hürden sollte die Stadt abbauen und wo es geht, erneuerbare Energien selbst ausbauen und fördern.

Die Grüne Fraktion spricht sich für geringe Abstandsflächen von Windenergieanlagen aus. Wir wollen – wo es geht – Photovoltaikanlagen fördern. Die Verwaltung sollte stärker als bisher beispielhaft vorangehen. Wir wünschen uns außerdem künftig auf allen Neubauten Solaranlagen. Darüber hinaus, soll die Erzeugung von Biogas aus Abfallprodukten sowie die Nutzung von geothermischer Energie ausgebaut werden. Nicht zuletzt soll die Stadt bei der energetischen Sanierung beispielhaft vorangehen.

Demokratie und gesellschaftlicher Zusammenhalt

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Klimawandel und die Umwelt sind das eine Grundmotiv in den Anträgen meiner Fraktion, die Stärkung der Demokratie und des gesellschaftlichen Zusammenhangs ist die zweite Säule unserer Anträge: Der gesellschaftliche Zusammenhalt leidet unter einer zunehmenden Individualisierung und einer zunehmenden Polarisierung in der Politik und den Medien. Manche denken vielleicht, in Korschenbroich hätten wir damit keine Probleme. Hier im Stadtrat ist die Diskussionskultur auch fast immer sehr respektvoll. Aber dennoch gibt es auch in Korschenbroich Menschen, die Rattenfängern von Rechts nachplappern und nachfolgen. Es gibt auch hier bei Wahlen viel zu viele Stimmen für rechtsextreme Parteien. Diesem wollen wir entgegenwirken, in dem die Bürgerbeteiligung weiter verstärkt wird.

Wir spüren Zulauf von Bürgerinnen und Bürgern, die sich für die Belange ihres Heimatortes einsetzen wollen. Diese Kraft, diese Kreativität wollen wir nutzen! Dieses gilt ausdrücklich auch für den strategischen Planungsprozess. Bisher ist das Verfahren geprägt von Diskussionen im Hinterzimmer. Die grundlegenden Entscheidungen dieses Prozesses werden in nicht-öffentlichen Sitzungen beraten. Bisher stammen die Ideen daher nur aus dem eigenen Saft. Frische Ideen sind offenbar noch nicht gewollt. Ich halte es außerdem für fragwürdig, mit hohem Aufwand eine Planung zu beschließen, die für den im kommenden Jahr neu zu wählenden Stadtrat und – möglicherweise – die neue Bürgermeisterin oder den neuen Bürgermeister keinerlei Bindungswirkungen hat. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass eine unbefangene, ergebnisoffene Diskussion über das Für und Wider in planerischen Fragen in Zeiten des anlaufenden Kommunalwahlkampfs an die Seite gedrängt wird.

Zur Jugendkonferenz: Wir wollen die Kinder und Jugendlichen wirklich einbinden, ihre Wünsche und Bedürfnisse ungefiltert erfahren und aufnehmen. Die Politik soll den Jugendlichen zuhören können.

Grundsätzliche Kritik am Haushalt

Ich komme nun zum Schluss: Die späte Einbringung und die Verkürzung der Beratungszeiten haben nicht verhindert, dass sich quasi in letzter Minute noch wesentliche Änderungen in der Planung ergeben haben. So wurde die anfängliche vorgeschlagene Grundsteuererhöhung innerhalb weniger Tage wieder einkassiert. Das Verfahren zur Haushaltsaufstellung hat einige Schwächen: Aufgrund des hohen Zeitdrucks steht z.B. bis heute noch kein Protokoll der entscheidenden Beratung des Hauptausschusses zur Verfügung. Der Entwurf enthält zusätzliche Ausschüttungen des Abwasserbetriebes, die auf das Betreiben der Fraktionen von CDU und SPD durch die Auflösung des Tafelsilbers aus dem Abwasserbetrieb realisiert werden. Das Eigenkapital des Abwasserbetriebes wird für die Sanierung des Kernhaushaltes verfrühstückt. Eine nachhaltige Finanzwirtschaft sieht anders aus!

Korschenbroich liegt wie der gesamte Rhein-Kreis Neuss im „Speckgürtel“ von Düsseldorf. Hier zahlen viele Bürgerinnen und Bürger im Vergleich zu anderen Kommunen sehr viel Einkommensteuern. Von dieser Einkommensteuer profitiert der städtische Haushalt überproportional. Wie sich aus den aktuellen Werten des Landes ablesen lässt, steigt die Steuerkraft der Stadt Korschenbroich im Jahr 2020 mit voraussichtlich 5,1% stärker als der Durchschnitt im Rhein-Kreis Neuss mit 3,1%. In der Steuerkraft wird die Gewerbesteuer übrigens berücksichtigt! Die überdurchschnittliche Finanzkraft in Korschenbroich hält bereits seit vielen Jahren an. Die Mehrheit aus CDU und SPD hat jedoch nicht die Kraft, einen ausgeglichenen Haushalt aufzustellen, der ohne die Veräußerung von Tafelsilber auskommt. Da wird lieber im Wahlkampf noch der ein oder andere Sportplatz neu gemacht und mit Brimborium eingeweiht. Dessen Bau wird zwar überwiegend vom Bund bezahlt. Die aufwändige Unterhaltung und der dauerhafte Betrieb müssen aber von der Stadt und den Vereinen auf Dauer gestemmt werden. Die grüne Fraktion wird dem Haushaltsentwurf für das Jahr 2020 aus diesen Gründen nicht zustimmen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!